Der Anruf kam im Sommerurlaub in Holland. Ich war mit meiner Familie unterwegs, als das Handy klingelte. Meine Freundin und Mitarbeiterin war am anderen Ende. Es wurde eine Firmenversammlung einberufen und wieder harte Einschnitte angekündigt. Wir hatten so viele Layoffs, dass ich aufgehört habe zu zählen. Regelmäßig nach der Übernahme eines Private Equity-Unternehmens vor 8 Jahren. Der letzte Layoff war 2 Jahre zuvor. Da haben wir 1/3 der Kollegen verloren. Danach war Chaos.
Jetzt ging es wieder los. Als Managerin wusste ich, was kam. War ich betroffen oder musste ich Gespräche führen? Ich war so müde davon.
Es war 2022 schon schwierig gewesen. Ich wusste, was passierte, eine Woche vorher. Es ist schwierig als Manager, dem sein Team wichtig ist und der den Menschen sieht, und ich habe meine Pflicht getan. Als Mensch musste ich damit klarkommen, als Manager war es danach meine Pflicht, mein Team zusammenzuhalten, die entstandenen Lücken zu füllen und weiter zu machen.
Immer in der Hoffnung auf bessere Zeiten.
Darauf, dass mein Arbeitgeber erkennt, was es bedeutet, ein Produkt zu haben, das mit einer geringen Anzahl von Mitarbeitern den Umsatz konstant hält und hoch profitabel ist.
Ich hatte es mit viel Anstrengung geschafft, mein Produkt nach vorne zu treiben, so dass wir in der Geschäftsführung Aufmerksamkeit bekamen. Uns wurde Unterstützung zugesagt und ich habe den Hoffnungsstrahl gesehen.
Die darauffolgenden Monate habe ich alle Kraft und Hoffnung investiert. Mein Team aus der Krise geholt und ich habe wieder wirkliche Hoffnung gesehen.
Dann kam der Anruf.
Mein Urlaub war natürlich kaputt. Ich habe da schon angefangen zu trauern. In dem darauffolgenden Montag kamen die Einladungen. Diverse Meetings zeitgleich, auf Europa verteilt, mit Anonymität des Verteilers. Es dauerte 10 Minuten und während der Call zu den jeweiligen Abläufen noch lief, kamen die Chatnachrichten rein. Von fünf Leuten waren 4 raus. Ich kann mir das Gefühl nicht vorstellen, das diese eine verbleibende Person hatte. Sie wusste, sie war diejenige, die das Licht ausmachte. Insgesamt wurden fast 70 % der Mitarbeiter gekündigt, vorwiegend in Europa, weil das US-Unternehmen den in den USA notwendigen Ankündigungen von Massenentlassungen aus dem Weg gehen wollte.
Ich musste dann noch 5 Monate mitansehen, was folgte:
- Verlängerung der Frist für die Auszahlungen an meine Kunden – 95% der gesamten Einnahmen meiner Kunden waren betroffen und wenn man einen Monat länger auf die Einnahmen warten muss, wird es schnell kritisch.
- Kunden, die gedroht haben, wurde die Auszahlung zurückgehalten. Vertraglich war das 6 Monate möglich.
- Als die Kunden ausgezahlt werden sollten, wurde alles gestoppt und das Geld einbehalten.
- Unzählige Kunden haben mich über LinkedIn kontaktiert.
- Erst Insolvenz der Deutschen GmbH, dann des Gesamtunternehmens.
- Irgendwann kam abends die Nachricht von einem ehemaligen Kollegen, dass er die Systeme abstellt.
All das habe ich überstanden und stehe jetzt dem Arbeitsmarkt gegenüber.
- Kaum Remote-Jobs, die mein Leben als Mutter unterstützen.
- Unternehmen möchten ihre Mitarbeiter ganz vor Ort haben oder zumindest 3-4 Tage die Woche.
- Mit 50+ gehört man zum „alten Eisen". Passt so jemand in das Team von 30-Jährigen?
- Sie kennt sich mit dem Produkt nicht aus. Obwohl ich 1500 Kunden mit verschiedensten Produkten betreut habe. Das Produkt kann man lernen.
- Ich muss mich quasi jedes Mal neu erfinden.
Ich hoffe noch immer auf eine Möglichkeit, weiter meinen so geliebten Beruf ausüben zu können und arbeite parallel an Rosalie, weil ich lernen möchte.
ALLES WIRD GUT