Mein Weg
Mit dem klassisch deutschen Schulsystem bin ich nicht klargekommen. Heute vermute ich, dass ich ADS habe, nachdem meine Tochter ihre Diagnose bekommen hat. Das Schulsystem ist nicht fĂŒr Freidenker und besondere Menschen gemacht. Es kommt nur weiter, wer klar angepasst ist, unauffĂ€llig und fleiĂig. Ich war nicht angepasst, noch unauffĂ€llig, und das Thema musste mich interessieren.
Meine Schulkarriere habe ich gemeistert und habe meine Ziele erreicht, dann eine Ausbildung, und mit jeder Stufe im Job bin ich gewachsen.
Die Welt, in der ich gehörte
Vor 15 Jahren habe ich bei einem amerikanischen Unternehmen im E-Commerce angefangen. Ich war in der Welt, in der ich gehörte. In der ersten Zeit habe ich bereits gemerkt, dass meine StÀrken hier wichtig sind. Die StÀrke, in Krisensituationen ruhig zu bleiben, das Unmögliche möglich zu machen und mit Menschen aus der ganzen Welt zu arbeiten.
Ich liebe es, mit Daten zu arbeiten und sie auszuwerten. Ich liebe es, mit Menschen aus aller Welt zu arbeiten und deren kulturellen Hintergrund zu verstehen.
All das ist jetzt vorbei. Nach 14 Jahren bin ich arbeitslos und hatte mich trotz fehlendem Studium bis zur Direktorposition hochgearbeitet.
Das war vor einem Jahr, und ich habe noch immer keine neue Herausforderung. Warum?
Vielleicht bin ich mit 53 zu alt fĂŒr den Arbeitsmarkt, vielleicht nicht up-to-date genug in den Augen meines GegenĂŒbers oder halt einfach eine Frau, der man weniger in Chefetagen zutraut.
Vorurteile gegen Frauen in FĂŒhrungspositionen
- Likeability vs. Competence Dilemma â Durchsetzungsstark = "aggressiv/schwierig", freundlich = "zu soft/nicht durchsetzungsfĂ€hig"
- Kompetenz-Zweifel â Erfolg wird auf GlĂŒck, Beziehungen oder Quoten zurĂŒckgefĂŒhrt, nicht auf Leistung
- "Zu emotional" â Emotionen gelten als unprofessionell, wĂ€hrend sie bei MĂ€nnern als Leidenschaft wahrgenommen werden
- Maternal Wall â MĂŒtter gelten als nicht voll verfĂŒgbar oder engagiert genug
- Kinderlosigkeit â Kinderlose Frauen werden als "kalt", "karrierefixiert" oder "egoistisch" abgestempelt
- Mikro-Management-Vorwurf â GrĂŒndlichkeit und Detailorientierung wird als Kontrollzwang interpretiert
- Delegations-Paradox â Delegieren = "nicht hands-on genug", selbst machen = "kann nicht loslassen"
- Doppelte Standards â Gleiches Verhalten wird bei Frauen und MĂ€nnern unterschiedlich bewertet und benannt
- StĂ€ndige Beweispflicht â Qualifikationen mĂŒssen immer wieder neu unter Beweis gestellt werden
Ich weiĂ, wie es ist, sich in einem Corporate-Unternehmen als Frau zu behaupten â jeden Tag aufs Neue â und ich weiĂ, wie es ist, von mĂ€nnlichen Kollegen/Managern ignoriert zu werden.
Meine Tochter ist 12 und in einer Klasse mit JungenĂŒberschuss. Sie erzĂ€hlt mir, was die Jungs jetzt schon erwarten: HĂŒbsch aussehen, schlank und reprĂ€sentativ sein, arbeiten und sich um Kind plus Haushalt kĂŒmmern.
Das ist ein Programm, das keine Frau schafft und sich dann noch zusĂ€tzlich um ihre Karriere kĂŒmmern kann.
In den letzten Jahren sehe ich einen gefĂ€hrlichen Trend zurĂŒck zu dem, wovon sich unsere MĂŒtter herausgekĂ€mpft haben. Das traditionelle Frauenbild kommt zurĂŒck, und Frauen werden wieder zurĂŒckgedrĂ€ngt.
In Corona und danach im Homeoffice war es leichter fĂŒr Frauen, alles unter einen Hut zu bekommen. Der Trend ist rĂŒcklĂ€ufig, und viele Firmen ordern ihre Mitarbeiter zurĂŒck. Warum?
HauptsĂ€chlich geht es um Kontrolle. Der Mitarbeiter wird nicht als mĂŒndiger Erwachsener gesehen. Jemand, der genau weiĂ, was erwartet wird, und seinen Job macht.
NeurodiversitÀt
Menschen, die einfach anders vernetzt sind und denken â sie sind nicht genug. Die Gesellschaft bzw. unser Schulsystem hat feste Strukturen, in denen die StĂ€rken dieser besonderen Menschen zu wenig gefördert werden.
All diese Menschen gehen unserer Wirtschaft verloren: all die Frauen in Positionen, die durch ihre Empathie und KommunikationsfĂ€higkeiten perfekt fĂŒr Kundenmanagement sind, all die Menschen, die anders vernetzt sind und halt anders Probleme lösen. Diese Menschen leben nicht in einer limitierten Box, sie können Out-of-the-Box denken, wie es im Job gefragt ist. Nach Lösungen suchen, die niemand anderes sieht.